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Bild: Demetria Cornfield |
Zurück von einem Workshop, dessen Inhalt nicht auf das Thema
Zeit ausgelegt war, beschäftigt sie mich nun doch, die "Zeit" und der
Umgang mit ihr. Die, die mir immer eine gute Freundin war. Ich wollte ihre
Geheimnisse ergründen und lernte die Uhrmacherei bis zur Meisterschaft - nur um
festzustellen, dass wir Menschen sie nur in kleine Stücke zerteilen, sie linear
machen, um sie zu messen und vermeintlich zu beherrschen. Ich stellte mit Bedauern
fest, dass die Menschen ein neues Instrument gefunden hatten, um sich damit
gegenseitig zu gängeln. Schneller musste alles sein, schneller musste alles
gehen. Und je schneller es sein muss, umso mehr rennen wir der Zeit hinterher.
Uhrmacherei enthüllte mir nicht die Geheimnisse der Zeit,
sondern der Mechanik - obwohl ich dadurch erste Schritte im Umgang mit der Zeit
erfahren durfte, aber davon an anderer Stelle.
Zeitmagie in der spirituellen Arbeit
Im genannten Workshop webten wir Magie, um den wilden Anteil
unserer Seelen zu Tage treten zu lassen und befanden uns alle plötzlich mitten
in einer Zeitreise, die nicht in unbeweglicher Trance stattfand, sondern unsere
Körper mitnahm. Zeit und Raum veränderte sich, und mir kam es so vor, als lebte
ich ein ganzes Leben in diesem Kontinuum - so bekannt und doch so neu, so völlig
ohne zivilisierte Einschränkungen und doch so geborgen in einem Kollektiv, in
dem es noch keine Worte, Bezeichnungen und Bewertungen gab. Das ganze Erleben
"dauerte", mit einem Zeitmesser gemessen, lediglich eine knappe
Stunde, aber ich weiß, es war eine ganze Lebenszeit.
Meistens ist es in Trancezuständen ja umgekehrt - kaum ist
man von einer kurzen Reise zurück, stellt man mit Verwunderung fest, dass
etliche Stunden vergangen sind, ähnlich wie es manchem Prinzen in Sagen und
Legenden ergeht, der ins Feenland gelockt wird und nach ein paar Tagen
zurückkehrt, nur um zu sehen, dass mehrere Jahre ins Land gezogen und viele
Freunde bereits gestorben sind.
In bestimmten Trancezuständen vergeht die Zeit in der Außenwelt
jedoch ganz langsam. Ich habe es ein paar Mal aus Versehen geschafft, habe aber
bislang noch keinen Weg gefunden, es bewusst innerhalb der spirituellen Arbeit
herbei zu führen. Insofern zolle ich den 2 Meisterinnen ihres Faches sehr
großen Respekt, da sie uns alle sicher durch die Zeitspirale geführt, begleitet
und zurück gebracht haben.
Zeitmagie im Alltag
Als jemand, der sehr viele Interessen und Begabungen hat,
wurde ich schon häufiger darauf angesprochen, wie ich es denn schaffe, alles
unter einen Hut zu bringen; wörtlich: "Wo nimmst Du denn die ganze Zeit
für das alles her? Hat denn der Tag mehr Stunden für Dich?"
Ganz ehrlich: ich habe mich noch nie damit befasst, woher
ich mir die Zeit immer "schnitzen" konnte. Bis jetzt. Der Workshop
der wilden Seele verlangt nach einer analytischen Aufbereitung seitens meiner
rationalen Seele.
Als Mutter dreier Kinder mit einem Job, einer
nebenberuflichen Weiterbildung, einem Haushalt nebst Garten, einer Leidenschaft
fürs Kochen, Malen und für Bücher (und einer immensen Anzahl anderer Hobbys und
Freunden) habe ich bislang nur dann den Eindruck ich hätte "zu wenig
Zeit" wenn ich mich komplett "verzettle".
Was nichts anderes bedeutet, als dass ich in Gedanken nicht
bei einer Sache bin, sondern bei 2 oder mehr Dingen gleichzeitig.
Was zudem nichts anderes bedeutet, als dass ich nicht
fokussiert bin, sondern fahrig.
Was außerdem bedeutet, dass ich nicht "in der
Zeit" bin, sondern aus dem Zeitfluss gefallen.
Wie passiert so etwas? Wie falle ich einfach aus dem
Zeitfluss?
Ich verliere das Vertrauen in meine Fähigkeiten und fange an
zu zweifeln, ob ich all das überhaupt bewältigen kann. Meistens sind dies zu
kurz gesteckte Termine, die ich mir entweder selbst setze oder die mir gesetzt
werden. Manchmal sind es auch einfach Tage, in denen ich nicht vollkommen fit bin,
körperliche Beschwerden oder seelische Schmerzen hege. Dann habe ich das Gefühl
die Zeit sei limitiert, ich “müsse“ bestimmte Dinge tun, weil irgendein
ominöses Wesen eine Messlatte an einen Zeitstrahl gelegt hat und mich
vorwurfsvoll anblickt: "Wir haben doch keine Zeit!", "Wir müssen
das alles in einer bestimmten Zeit schaffen!" Dieses Wesen mache ich mir
dann zu Eigen, verschmelze mit ihm und mein ganzes "Ich" ist nicht
nur von ihm erfüllt - nein, ich WERDE zu diesem Wesen. Somit verfalle ich dann
in einen hektischen, wilden Aktionismus mit Zeitdruck, bei dem ich Fehler mache
und vieles nochmals von vorne beginnen muss, mit 4 anderen ToDos im Hinterkopf,
die auch noch bedient werden wollen. Dann renne ich tatsächlich der Zeit
"hinterher".
Wann "flutscht" es denn dann?
Aus den spirituellen Erfahrungen heraus weiß ich, dass
messbare Zeit anders verläuft, wenn ich
darin eintauche und mir "die Zeit dafür einfach nehme". Sie
steht einem Jedem im vollen Umfang zur Verfügung, denn es gibt nur eine Zeit,
nämlich das „Jetzt“. Und im Jetzt kann ich überall sein, in jeder Realität, in
jeder Welt, ob vergangen oder zukünftig. Ich bin frei von "müssen"
und nur erfüllt von "wollen", neugierig auf das Ergebnis und voller
Vorfreude auf die Erfahrung.
In Tagen, in denen es "flutscht", herrscht
dieselbe Stimmung vor. Nicht bezogen auf
das Ritual oder der spirituellen Arbeit, sondern auf das, was der Tag so
bringt. Dann mache ich es einfach, nehme mir Zeit und stecke mein Herzblut in
jede einzelne Tätigkeit. Alles geht einfach von der Hand und ich freue mich am
Abend über mein verrichtetes Tagewerk. Ich bin dann einfach "eins"
mit mir, der Welt und dem Universum - und habe trotzdem meine 8 Stunden Schlaf.
Und wie werde ich dieses Wesen wieder los?
In dem ich mir Zeit nehme! Welch ein Paradoxon :-) Aber was
ist Magie anderes als genau das Gegenteilige von dem zu tun, als der Mensch
meint, tun zu müssen?
Ich nehme mir Zeit, um herunter zu kommen, um wieder in mir
zu ruhen, um wieder ich selbst zu sein. Ich mache die Übungen, die meine
spirituellen Lehrer mir beigebracht haben - atmen, hören, fühlen, schmecken,
sehen, in mich gehen, nicht zukunftsgerichtet sein sondern mich wieder
"zurück" in den Augenblick holen. Wo bin ich, wer bin ich, was mache
ich. Atmen, Wasser trinken, mich mit der Welt verbinden. Und dann voller Elan
das Eine verrichten.
Manchen mag das wie Zeitmagie erscheinen, aber wenn ich
ehrlich bin ist da gar kein Hokuspokus dahinter - keine komplizierten
henochischen Formeln oder geschwungene Zauberstäbe. Es ist einfach meine
Einstellung zu dem Tag, der Tätigkeit oder auch der Zeit. Ich bin vollkommen da
und tue mit Freude. Dadurch mag ich in manchen Augen die Zeit
"biegen", sie schneller oder langsamer vergehen lassen, aber ich bin
lediglich voll wach und präsent.
Die Zeit "ist" - sowie das Leben "ist".
Nicht wertend, nicht einschränkend, sondern für jeden, der
will, erlebbar, und unendlich vorhanden.